Bevölkerung ist in großem Umfang schädlichen Chemikalien ausgesetzt

Die Abschluss­konferenz des Forschungs­projekts HBM4EU hat eine klare Botschaft: Es muss noch viel mehr getan werden, um die Bevölkerung vor schädlicher Chemikalien­exposition zu schützen. Bei vielen Schadstoffen sind Reduzierungs­maßnahmen zudem längst überfällig. HBM4EU ist ein europäisches Forschungs­programm zur Durchführung von Human-Biomonitoring-Studien und der Untersuchung von möglichen Zusammen­hängen zwischen Schadstoff­belastungen und einer gesundheitlichen Auswirkung.

Dabei wurden 18 Schadstoff­gruppen bewertet, darunter PFAS, Bisphenole, Phthalate und Flammschutzmittel, wobei festgestellt wurde, dass die europäische Bevölkerung in hohem Maße Schad­stoffen ausgesetzt ist. Studiendaten zu Phthalaten zeigten beispielsweise, dass Kinder und Jugendliche in der gesamten EU mit diesen chemischen Substanzen belastet werden. Weitere Untersuchungen zu Bisphenol A (BPA) zeigen, dass die Exposition des Menschen gegenüber dem endokrinen Disruptor weit verbreitet ist und Maßnahmen zur Verringerung der Exposition erforderlich sind. Darüber hinaus zeigen die Daten einen Anstieg von weiteren Bisphenolen (BPS und BPF) in allen europäischen Ländern. Dies ist ein Zeichen für einen bedauerliche Austausch, bei dem ein zum Teil regulierter Stoff durch ähnlich bedenkliche Stoffe ersetzt wird. Daher wird auch eine Beschränkung dieser Ersatz­stoffe gefordert.

Lesen Sie hier den ausführlichen Artikel auf Englisch, und unter diesem Link können Sie die sehr interessante Konferenzzeitung herunterladen.

Wie schaut es in der Wohnumwelt denn nun wirklich aus?

Schadstoff­messungen bringen Klarheit über die Exposition in den eigenen Wohnräumen, in denen natürlich so wenig wie möglich schädliche Substanzen vorhanden sein sollten. Häufig wird vermutet, dass die Exposition nur in der Umwelt vorhanden ist, und man kann sich gar nicht vorstellen, dass in den eigenen Wohnräumen schädliche Chemikalien vorkommen und wenn ja, wo sollten die denn herkommen? „Es ist doch alles überprüft, sonst dürfte es ja auch nicht verkauft werden“, höre ich oft als Argument. Die Realität ist eine andere, da diese strengen Auflagen nur bei Lebens­mitteln gelten, bei Verbrauchs­gegenständen und Baustoffen gibt es zwar für einige Substanzen Grenzwerte, für viele noch nicht ausreichend erforschte jedoch nicht. Zudem kommen laufend neue Substanzen auf den Markt und Studien zu gesund­heitlichen Auswirkungen dauern lange.

So kommt es, dass in Wohnräumen zum Teil erhöhte Schadstoff­konzentrationen vorliegen, wie in folgenden Tabellen dargestellt. Im ersten Fall konnten erhöhte Konzentrationen des Flamm­schutz­mittels TCPP nachgewiesen werden, mit 38 mg/kg im Hausstaub. Ein stark erhöhter Wert, nach den Bewertungskriterien der AGÖF (Arbeitsgemeinschaft ökologische Forschung). Die von der AGÖF publizierten Orientierungs­werte sind nicht toxikologisch begründet und basieren auf statistischen Auswertungen. Auffälligkeits­werte legen das Vorhandensein von Quellen nahe, da übliche Werte von Innenräumen überschritten werden. [1] Schadstoffe

Tris-chlorpropyl-phosphat (TCPP) wird als Weichmacher mit flamm­hemmender und biozider Wirkung in Kunst­stoffen, Lacken, Teppichen, Polster- und Bezugs­stoffen eingesetzt. Die Substanz kann Augen, Haut und Schleimhäute reizen und steht im Verdacht, die Nieren zu schädigen. Über die gesund­heitliche Wirkungen liegen jedoch keine verlässlichen Daten vor. [2] Zudem besteht der Verdacht, dass die Substanz durch Bioakkumulation kanzerogen wirkt. [3]

Ein weiteres Beispiel einer Schadstoffmessung in Wohnräumen zeigt Weichmacher, bedingt durch den oftmaligen Einsatz in Kunststoff­produkten. Bei dieser Hausstaub­analyse wurde DEHP in hoher Konzentration mit 1.050 mg/kg nachgewiesen, wie in folgender Tabelle ersichtlich.
Schadstoffe

Weichmacher sind chemische Zusätze, die die Plastizität bzw. Dehnbarkeit von Kunst­stoffen und Kautschuk­materialien erhöhen. Der Anteil in PVC-Produkten wie Kabel, PVC-Fußböden, Teppich-Rücken­beschichtungen, Fenster und Türen, Folien und Gartenmöbel, Duschvorhängen, Spielzeug, Latexfarben etc. kann oft bis zu 70% betragen. [4] Trotz der massiven Verbreitung von Weich­machern sind diese Stoffe noch wenig erforscht. In verschiedenen Studien wird auf biologische Risiken bis zum Krebs­risiko hingewiesen. Die akute Giftigkeit ist eher gering. Bei langfristigen Belastungen sind Folge­wirkungen wie zentralnervöse Effekte, Immunschwächen, allergische Reaktionen und hormonelle Wirkungen zu erwarten. Die US-Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) stufte den Weich­macher DEHP als krebserregend ein, andere Weich­macher stehen im Verdacht. [5]

Di(2-ethylhexyl)phthalat (DEHP) ist seit 2008 aufgrund der reproduktions­toxischen Eigenschaften nach europäischem Chemikalien­programm (REACH) als meldepflichtig an den Kunden ausgewiesen. Für Spielzeug und Baby­artikel besteht ein Verbot dieser Substanz. [6] In der EU-Verordnung Nr. 143/2011 vom 17. Februar 2011 werden Di(2-ethylhexyl)phthalate (DEHP) als reproduktions­toxisch klassifiziert und der 21. Januar 2015 als Datum festgelegt, von dem ab das Inverkehr­bringen und der Gebrauch der Substanz ohne Zulassung verboten ist. [7]

Es zeigt sich also, dass Schadstoffe in erhöhter Konzentration in normalen Wohnräumen nachgewiesen werden können. Je nach Substanz und Konzentration können Reduzierungs­empfehlungen umgesetzt werden. Denn: Wer möchte schon schädliche Chemikalien in seinen Wohnräumen haben?

Wie werden Schadstoffmessungen durchgeführt?

Um festzustellen, ob Schadstoffe in den Wohnräumen vorhanden sind, werden sogenannte Hausstaub­untersuchungen durchgeführt. Im Hausstaub sammeln sich alle Partikel, Fasern und schwer­flüchtige Schadstoffe wie Weichmacher, Biozide, Flamm­schutz­mittel, PAK, PCB und noch viele weitere. Die Probenahme der Hausstäube wird nach VDI 4300/8 durchgeführt, wobei 7-10 Tage alter Staub gesammelt wird und uns einfach zugesandt werden kann. Dadurch lassen sich schnell und einfach mögliche Schad­stoffe nachweisen und individuelle Reduzierungen durchführen, um erhöhte Schadstoff­konzentrationen in den Wohnräumen zu vermeiden.

Sie möchten die Schadstoffe in Ihren Wohnräumen überprüfen lassen oder bei Neubauten oder Renovierungen vermeiden? Gerne führen wir Messungen für Sie durch und beraten Sie zu Reduzierungs­maßnahmen. Fragen Sie jetzt für eine gesunde und schadstofffreie Wohnumwelt bei uns an!

Literaturverzeichnis:
[1] Hohenblum, P., Kundi, M., Gundacker, C., Hutter, H.-P., Jansson, M., Moosmann, L., … Uhl, M. (2008b). LUKI – LUft und KInder Einfluss der Innenraumluft auf die Gesundheit von Kindern in Ganztagsschulen; Umweltbundesamt GmbH Spittelauer Lände 5, 1090 Wien/Österreich. Retrieved from http://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/REP0181.pdf
[2] http://www.enius.de/schadstoffe/tcpp.html, 15.11.2018
[3] https://www.chemie-schule.de/KnowHow/TCPP, 15.11.2018
[4] Dr. M. Mierau, Baubiologie Maes, IBN- Aufbauseminar Luft 2008, B3 Biozide und Schwerflüchtige, Weichmacher Seite 182-183
[5] (Fernlehrgang Baubiologie, Lehrheft „Luft und Schadstoffe“, Institut für Baubiologie Neubeuern- Dr. Thomas Haumann, Seite 54-55, 4.3 Weichmacher)
[6] ECHA – European Chemicals Agency: http://echa.europa.eu/web/guest/candidate-list-table
[7] Amtsblatt der Europäischen Union 18.02.2011: http://eurlex.europa.eu/LexUriServ</LexUriServ.do?uri=OJ:L:2011:044:0002:0006:de:PDF

 

Published On: Mai 24, 2022|Kategorien: Schadstoffe|Schlagwörter: , , , , , , , |7,1 min read|

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